Es hat den Anschein, als würde die Corona-Pandemie nicht nur Angst und Schrecken verbreiten, sondern sogar dem Planeten helfen. Und tatsächlich geht die Umweltverschmutzung kurzfristig zurück – auch in Deutschland. Aber wer genauer hinsieht, erkennt die Herausforderungen, die jetzt auf den Klimaschutz zukommen. Alle Fakten dazu findest Du in unserem Artikel.
Es scheint so, als würde die ganze Welt den Atem anhalten – wegen Corona. Das öffentliche Leben steht nahezu still, die Städte sind leer und die Flugzeuge bleiben am Boden. Nur der Planet atmet derweil endlich einmal wieder auf.
Saubere Luft in China: Der positive Effekt von Corona
So auch in China, das zuallererst von der Corona-Krise betroffen war. Daraufhin folgten eine Reduzierung der Produktion in den Fabriken und Kraftwerken und weniger Fahrzeuge auf den Straßen. Das ließ im Februar die Treibhausgasemissionen des Landes um 200 Millionen Tonnen zurückgehen, schätzte das finnischen Center for Research on Energy and Clean Air. Das sind etwa 25 % des Gesamtausstoßes. Anfang März zeigte sich dann auf Satellitenbildern der Nasa auch visuell, dass die Luftverschmutzung seit Beginn der Maßnahmen gegen den Virus deutlich zurückgegangen ist.
In Europa und Amerika ist dieser Effekt ebenfalls bald zu erwarten. Die Industrie steht zu großen Teilen still. Menschen unternehmen kaum noch Geschäfts- oder Urlaubsreisen.
Klares Wasser in Venedigs Kanälen
Den Anfang macht Italien. Der Coronavirus hat das Land in eine tiefe Krise gestürzt. Das Wasser in den Kanälen von Venedig allerdings ist so klar, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In den sozialen Medien machen Videos die Runde, in denen erstaunte Bewohner der Lagunenstadt Fische filmen, die plötzlich in den Wasserarmen der Stadt zu sehen sind. Das liegt zum einen vor allem daran, dass die Schiffe die Sedimente am Boden nicht mehr aufwirbeln. Zum anderen ist das Wasser aber wohl tatsächlich ein wenig sauberer, auch wenn die Auswirkungen vermutlich eher gering ausfallen werden. Aber nicht nur das Wasser, sondern auch die Luft profitiert – besonders das Fernbleiben der Kreuzfahrtschiffe wirkt sich hier positiv aus. Darüber hinaus zeigen ESA-Copernicus-Daten, dass in ganz Norditalien die Schadstoffkonzentration zurückgeht.
In den USA gibt es ebenso Positives für die Umwelt zu vermelden. So berichtet die BBC, dass in New York aktuell 50 Prozent weniger Kohlenmonoxid in der Luft gemessen wird.
Deutschland erreicht 2020 seine Klimaziele – dank dem Coronavirus
Und Deutschland wird wohl dank Corona tatsächlich seine hochgesteckten Klimaziele erreichen. So teilt die Denkfabrik Agora Energiewende mit, dass die Treibhausgasemissionen in diesem Jahr wahrscheinlich um 40 bis 45 Prozent unter dem Vergleichswert von 1990 liegen werden. Das zuvor anvisierte Ziel der Bundesregierung waren 40 Prozent. Aber nicht nur die Corona-Pandemie ist hierfür verantwortlich. Der milde Winter mit den starken Winterstürmen ließ die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ansteigen und gleichzeitig den Energieverbrauch für das Heizen sinken.
Unterm Strich bringt Corona dem Klimaschutz eher Nachteile
Die Umwelt scheint also tatsächlich von der dramatischen Lage rund um die Lungenkrankheit Covid-19 zu profitieren. Das sieht allerdings nur auf den ersten Blick so aus. Denn sobald sich die Lage wieder entspannt hat, werden Produktion und Transport wieder hochgefahren. Die Klimaschutzexpertin Lisa Göldner von Greanpeace erklärt in einem Interview, dass sie wenig Gutes in der kurzfristigen Verbesserung des Klimas erkennt:
„Nein. Ich kann mich nicht darüber freuen, dass der CO2-Ausstoß sinkt oder sich die Luftqualität verbessert, weil Menschen jetzt zu Hause bleiben müssen. Die nötigen Einschränkungen während einer Pandemie sind keine Klimaschutzmaßnahmen. Eine Ausgangssperre ersetzt keine Verkehrswende. Meine Sorge ist, dass die Menschen nach Corona, erst recht und umso mehr ins Flugzeug oder in ihr Auto steigen wollen. Wir brauchen nachhaltig wirksame Maßnahmen und einen Umbau unserer Wirtschaft.“
Lisa Göldner hofft aber trotzdem auf einen anderen positiven Effekt. Der Umgang mit der Corona-Krise könne uns viel über die Bewältigung der Klimakrise lehren, erklärt sie. Die Pandemie zeige uns, wie entscheidend es wäre, auf die Wissenschaft zu hören. Verhaltensänderungen kämen eben nicht von alleine, das hätte man jetzt gesehen. Umso wichtiger wäre ein entschlossenes Handeln der Politik, denn in kritischen Situationen brauche es klare Ansagen, so die Meinung der Klimaschutzexpertin.
Die Gefahr ist groß, dass der Umweltschutz jetzt hintenansteht
Auch Christopher Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, sieht in dieser Krise Chancen für den Umweltschutz, aber auch Risiken. Wer jetzt denke, man könne den Klimaschutz zurückstellen, der übersehe, was derzeit gerade auch in der Coronakrise deutlich zu erkennen sei: Wenn es um exponentielle Kurven gehe, müsse sehr früh gehandelt werden, sonst gerate die ganze Entwicklung außer Kontrolle, erklärte er dem Deutschlandfunk.
Möglicherweise wird das Klima also nicht dauerhaft von Corona profitieren, sondern sogar das Gegenteil könnte der Fall sein: Die Bedrohung durch die Pandemie drängt die Bedrohung des Klimawandels, die viel langfristiger ist, in den Hintergrund. Maßnahmen die jetzt ergriffen werden, zeigen vielleicht erst Jahre später ihre Wirkung. Kein Politiker muss sich direkt für die Klimaerwärmung verantworten – bei der Coronakrise sieht das ganz anders aus. Die Umwelt steht deshalb schon jetzt zurück. FDP-Politiker forderten zum Beispiel wegen der Pandemie die Verschärfung des Düngerechts auszusetzen und Teile des Klimapakets aufzuschieben. Und auch in anderen Ländern sieht es ähnlich aus. So forderte der tschechische Regierungschef Babis die EU auf, die gesamten Klimaschutzpläne auf Grund von Corona auf Eis zu legen.
Ob der Glasgower Weltklimagipfel im November so stattfinden kann wie geplant, ist ungewiss. Und auch der anstehende Abschwung tut nur kurzfristig etwas gegen den Klimawandel. Denn wenn ganze Branchen in wirtschaftliche Schieflage geraten, wo wird dann als allererstes gespart? An Entwicklungen und Innovationen, die die Betriebe umweltfreundlicher machen sollen. Und auch Steuergelder könnten in der Forschung fehlen, wenn sie als staatliche Hilfen in den Aufbau der Wirtschaft fließen.
Es bleibt also abzuwarten, welchen Effekt die aktuelle Situation auf unsere Umwelt haben wird. Wie immer haben wir es selbst in der Hand. Und das ist es auch, was Corona uns am deutlichsten zeigt: Jeder einzelne zählt!
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